Einen bienen- und tierfreundlichen Naturgarten anlegen
Viele reden von Artenvielfalt, leider immer öfter auch von Artensterben. Zahlreiche Wildbienenarten sind bedroht, die kunterbunte Schmetterlingsvielfalt, viele heimische Vogelarten schwinden im Bestand. Es kann zwar keiner mit seinem Garten die Welt retten, doch wenn etwas mehr Natur im Garten Einzug halten darf, ist vielen Tierarten geholfen. Was einen Naturgarten ausmacht.
Naturgarten klingt im ersten Moment nach Wildwuchs, nach einem ungeordneten Chaos, das nicht nur dem Perfektionisten die Haare zu Berge stehen lässt und nach einem Garten, den man Liebhabern englischer Rasenflächen am besten erst gar nicht zeigt.
Hier eines vorweg: Ein Garten ist ein Konstrukt. Doch dieses Konstrukt kann sich möglichst nahe an der Natur orientieren und das ohne unordentlich, gar chaotisch und unwirtlich zu wirken. Vielmehr hat der Naturgarten das Ziel, möglichst mit der Natur zu leben, tierische Gäste willkommen zu heißen und zu fördern.
Die Idee des Naturgartens hat weniger mit kurzgeschorenen Grünflächen zu tun, auch wenn diese für spielende Kinder oder Gartenfeste natürlich vorkommen dürfen. Vielmehr ist er ein möglichst gutes Abbild der unberührten Natur, vor allem ein Garten, in dem keine Pestizide genutzt werden, ein Nahrungs- und Nistangebot bewusst angeboten wird. Letztlich kommt das allen zugute und macht großen und kleinen Gartenbesitzern jede Menge Spaß.
Wie Sie ohne Chemiekeule trotzdem üblichen Pflanzenkrankheiten und Schadinsekten Herr werden, mehr hierzu im Verlaufe des Textes.
Blühende Beete
Eines gehört definitiv in einen Naturgarten: Blühende Beete, die im Idealfall eine große Sorten- und Artenvielfalt beherbergen und möglichst lange im Jahr blühen, da etwa frühe Wildbienen im Februar in die Saison starten und noch an warmen Novembertagen unterwegs sein können.
Gerade Blühpflanzen in der zweiten Jahreshälfte seien sehr wichtig. Ihr Fehlen in der heutigen intensiven Landwirtschaft und Pestizide machten Forscher der LMU als Hauptgründe für die Bedrohung von zahlreichen Wildbienenarten verantwortlich (siehe Infokasten). Dagegen sei die Herkunft der Blühpflanzen zweitrangig, da, so schreibt der englische Wildbienenexperte Dave Goulson in seinem Buch „Wildlife Gardening: Die Kunst, im eigenen Garten die Welt zu retten“, dass Blühpflanzen gegen Fressfeinde Abwehrstrategien haben, nicht aber gegen Bestäuber. Und als solche sind Wild- und Honigbienen, Schmetterlinge, Schwebfliegen und Co. überall auf der Welt.
Beispiele für nicht-heimische Blühpflanzen, die jede Menge Pollen- und Nektarsammler anziehen:
- Scheinsonnenhut/Echinacea
- Duftnessel, auch Anis-Ysop genannt
- Offenblütige Dahlien
- Patagonisches Eisenkraut
- Rainfarn-Phazelie, auch Bienenfreund genannt
- Bartblume
- Cosmeen
- Verschiedene Ziersalbeiarten
- Schmetterlingsflieder
- Schneeheide
- Malven (heimische wie nicht-heimische)
- Glockenblumen (heimische wie nicht-heimische)
Beispiele für Heimisches im Blumenbeet:
- Blauer Natternkopf
- Traubenhyazinthen
- Krokus
- Fingerhut
- Bergflockenblume
- Kornblume
- Acker- und Wiesensalbei
- Akelei
- Schafgarbe
- Wiesenknopf
- Blutweiderich
Tipp: Informieren Sie sich, welche Pflanzen mehr oder minder reich an Pollen und Nektar sind und zu welcher Jahreszeit Sie blühen.
Alternativ zum sorgsam geplanten Blumenbeet: Eine Wildblumenwiese anlegen.
Heimisch vs. nicht-heimisch
Insekten und andere Tierarten haben sich in Laufe von Jahrhunderten an das Angebot an heimischen Pflanzen gewöhnt. So gibt es auch einige wenige spezialisierte Wildbienen, die nur auf bestimmte Pflanzenfamilien „fliegen“ und dort bevorzugt Nektar (für die Biene selbst als Nahrung) und Pollen (für den Nachwuchs) sammeln. Meist leben sie allerdings auch an ganz bestimmten Standorten.
Spezialisiert sind auch viele Schmetterlingsarten. Insbesondere in Sachen Futterpflanzen für die Raupen. Drei wichtige Futterpflanzen für zahlreiche Arten: Brennnessel (z. B. Tagpfauenauge und Admiral), Wilde Möhre und Fenchel (beides z. B. für die Schwalbenschwanzraupe).
Bei der Anlage eines bienen- und schmetterlingsfreundlichen Garten gibt es nun eine Diskussion: Heimisch vs. nicht-heimisch. Grob gesagt gelten Pflanzen als heimisch, die es hierzulande vor der Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus bereits gab. Was danach kam, wird als nicht-heimisch bezeichnet.
Ganz so streng sind die Vorgaben – zumindest für Pollen- und Nektarsammler – laut einiger Wissenschaftler und modernen Erkenntnissen aber doch nicht. So hat die Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) bei ihrer Untersuchung von 79 Prozent der heimischen Wildbienenarten festgestellt, dass es vor allem spätfliegenden Bienenarten im ländlichen Raum schlecht ginge, während deren Bestände im urbanen Raum recht stabil wären.
Die ermittelten Hauptgründe für die Bedrohung seien daher:
- Ackergifte
- Fehlende Nahrungspflanzen in der zweiten Jahreshälfte dank intensiver Landwirtschaft
Heimisch oder nicht-heimisch wurden nicht als Gründe genannt.
Die Empfehlung der Wissenschaftler für Gartenbesitzer: „… auch Hobbygärtner können jetzt schon Bienen helfen, indem sie auf vielfältige Hausgärten ohne Pestizide und Mähroboter setzen“.
Tag- und Nachtfalterraupen sind indes auf die heimischen Futterpflanzen angewiesen. Sie weichen nicht auf Fremdländisches aus.
Bäume und Sträucher
Es gibt zahlreiche Sträucher und auch Bäume, die für viele Insekten wertvoll sind. Einer der wertvollsten Bäume ist die im Frühjahr blühende Salweide. Für frühe Schmetterlinge und Wildbienen ist sie eine wichtige Nektarquelle. Zudem schätzen ihre Blätter Dutzende von Insektenarten. Darunter auch zahlreiche Schmetterlingsraupen. Sollen es eher Bäume sein, die auch für den Menschen wertvoll sind? Dann setzen Sie auf Obstbäume, die Bienen jede Menge Nahrung bieten.
Gleiches gilt für Obststräucher und zahlreiche heimische Heckenpflanzen, die von hungrigen Insekten geschätzt werden. Beispiele sind:
- Schlehe
- Weißdorn
- Berberitze
- Kornellkirsche
- Schneebeeren
Alles über Heckenpflanzen finden Sie hier.
Bäume und Sträucher bieten zudem vielen weiteren Tierarten Unterschlupf und Nistmöglichkeiten. Werden diese von mehr oder minder lästigen Schadinsekten befallen, dann dienen diese wiederum vielen Vogelarten wie den Meisen als Nahrung.
TIPP
Nutzen Sie unseren Service: Kostenlos Angebote für Gartenarbeiten einholen
Wasser sammeln und anbieten
Der Naturgärtner nimmt nicht nur Rücksicht auf die Artenvielfalt, sondern generell auf die Natur. Ein wichtiger Faktor: Wasser. Ohne mehr oder minder vielen Nährstoffen im Boden und Wasser wächst praktisch nichts. Gut, dass es kostenlose Regengüsse gibt. Leider bleiben diese im Sommer häufig aus oder sind nicht ausreichend.
Die Lösung ist: Regenwasser sammeln. Im Idealfall wird das Wasser einer oder gleich zweier Dachseiten – eine durchschnittliche Dachseite eines Einfamilienhauses hat 50 m² – in großen Tanks gesammelt. Und dies das ganze Jahr. Nimmt man das Beispiel Hannover, so wären im Jahr 2021 639 Liter Wasser auf den Quadratmeter gefallen. Hätte man jetzt einen großen unterirdischen Regenwassertank für allein eine Dachschräge, dann würde man jede Menge von Pflanzen geschätztes Regenwasser erhalten, das bei Bedarf zur Verfügung steht.
Regenwasser für die Gartenbewässerung nutzen
Regenwasser für die Gartenbewässerung zu benutzen, ist eine der natürlichsten und preiswertesten Methoden. In einem ungestörten Kreislauf fällt der Regen… weiterlesen
Doch auch im kleineren Stil Wasser zu sammeln ist sinnvoll und es gibt mittlerweile schicke und dezente Wasserspeicher, die einfach an das Fallrohr der Dachrinne angeschlossen werden und weniger auffällig als die einst üblichen blauen Wassertonnen sind.
Doch nicht nur Wasser sammeln und damit gießen ist sinnvoll, Wasser den Gartenbesuchern anzubieten ist nicht minder wichtig. So haben Vögel in trockenen Perioden genauso Durst wie Igel oder Wildbienen. Letztere trinken es nicht nur, neben dem Nektar, der Nahrung und Flüssigkeit zugleich ist, sie kühlen damit auch ihre Nester.
Tipp: Igel gelangen nur in einen Garten, wenn er nicht rundherum und bis zum Boden eingezäunt ist. Hecken beispielsweise oder ein Jägerzaun sind kein Problem.
Am schönsten bietet man Wasser in einem Teich mit flachem Ufer an. Das lockt nicht nur durstige Gäste an, denn im Wasser lebende Insekten wie prachtvolle Libellen schätzen selbst kleinere Gartenteiche mit wenigen Hundert Litern Wasser. Selbst als Schneckenvertilger willkommene Kröten und Frösche reicht so eine kleine Wasserstelle oftmals aus.
Tipp: Wer im Naturgarten Insekten mit einem Teich eine Brutstätte oder Heimat bieten möchte, sollte auf Fische verzichten. Für die meisten Insekten und -larven sind sie Fressfeinde. Zumal diese durch ihre Ausscheidungen die Pflege erheblich erschweren.
Verstecke, Unterschlupf und Nisthilfen
Neben einem adäquaten Nahrungsangebot bietet der Naturgarten gerne Verstecke, Unterschlupfmöglichkeiten und Nistplätze. Wildbienen hilft man auf zweierlei Arten, zum einen lieben sie unberührte Ecken im Garten, um in der Erde Bruthöhlen zu bauen. Ein großes Blumenbeet, das nicht oder nur selten betreten wird, reicht aber auch aus. Zum anderen gibt es Bienen, die in überirdischen Höhlen brüten. Die idealen Höhlen sind, je nach Bienenart, zwischen zwei und acht Millimeter im Durchmesser groß. Hierfür gibt es spezielle Bienenhotels, die aus solchen Röhren bestehen.
Tipp: Handelsübliche Insektenhotels, die neben diesen Bruthöhlen auch Tannenzapfen oder Holzwolle anbieten, sind, so zahlreiche Fachleute, gut gemeint, locken aber angedachte Insekten wie Marienkäfer oder nützliche Ohrwürmer nicht an.
Zahlreiche Gartenbesucher lieben zudem einen Unterschlupf aus Steinen. Zu einem kleinen Berg aufgeschichtetes Gestein oder eine lose aufgeschichtete Trockenmauer sind ideal. Nützlinge wie Eidechsen oder Kröten verkriechen sich hier gerne.
Vögeln hilft man einfach mit einem Nistkasten, der außerhalb von Katzenreichweite aufgehängt wird. Je nach Vogelart ist der Eingang anders beschaffen. Die gängigsten Nutzer sind Meisen und Sperlinge. Für sie ist ein Einflugloch von 28 bis 32 Millimeter passend.
Pflanzenschutz und Schädlingsbekämpfung ohne Chemiekeule
Pestizide jeder Art sollten im tierfreundlichen Naturgarten tabu sein. Irgendeinem Tier schaden handelsübliche Mittel gegen Unkraut, Pflanzenkrankheiten wie Mehltau oder Rosenrost und Schädlinge wie die lästigen Blattläuse immer. Dadurch wird ein natürliches Gleichgewicht aus dem Lot gebracht.
Beispiel im Falle der Blattläuse: Selten richten sie wirklichen Schaden an. Doch wer etwas Geduld aufbringt und ein natürliches Gleichgewicht im Garten hat, wird bald sehen, dass sich Marienkäfer einstellen. Sie und ihr alsbald folgender Nachwuchs, aber auch die Larven von Schwebfliegen und Meisen können selbst größere Blattlausansammlungen in kurzer Zeit vertilgen. Gleichzeitig werden so diese Arten im Fortbestand gestärkt.
Gegen Unkraut hilft leider nur jäten als umweltschonende Maßnahme. Gegen so Krankheiten wie Mehltau oder Rosenrost gibt es natürliche Mittel. Mehltau kann mit einem Gemisch von Rohmilch oder Vollmilch (keine H-Milch) und Wasser im Verhältnis 1:8 mehrmals hintereinander gesprüht bekämpft werden. Und gegen Rosenrost hilft, neben der Auswahl resistenter Pflanzen, eine gute Nährstoffversorgung der Pflanzen ab dem Frühjahr sowie natürliche Pflanzenstärkungsmittel wie Ackerschachtelhalm-Konzentrat.
Winterfest war gestern
Wer kennt es nicht, wenn im Herbst in der Nachbarschaft Laubbläser und Laubsauger angeworfen werden und nicht nur die älteren Nachbarn so ziemlich jede verblühte Pflanze bodennah kappen und damit die Biotonne füllen.
Dabei hat dieser Kahlschlag, der sich als ‚den Garten winterfest machen‘ etabliert hat, keinen wirklichen Nutzen. Zum einen sieht der Garten über viele Monate kahl und öde aus. Zum anderen beraubt man zahlreiche Tiere um einen willkommenen Unterschlupf während der kalten Jahreszeit und manche Pflanze käme mit seinen nun unschönen Pflanzenteilen besser durch den Winter. Nicht zuletzt werden Samenstände gekappt, die manch ein gefiederter Gartenbesucher schätzen würde.
Stattdessen?
- Es sollten lediglich einjährige Blühpflanzen im Herbst entfernt werden, die sowieso in sich zusammenfallen würden. Stauden beispielsweise werden erst zum Winterende geschnitten.
- Laub bedeutet auf Wegen Rutschgefahr. Dort und auf dem Rasen – Schimmelgefahr – sollte es entfernt werden. Auf Beeten darf Herbstlaub gerne bis zum Spätwinter verbleiben. Es bietet vielen Insekten einen Unterschlupf und auch bei kühlen Temperaturen keimender Wildwuchs wird so merklich unterdrückt.
Fazit
Naturnah zu gärtnern ist gar nicht so schwer. Das Klischee, dass der Naturgarten unordentlich ist und nur etwas für Hippies in Öko-Klamotten, ist längst passé. Vielmehr ist er eine Rückbesinnung auf alte Traditionen aus Omas oder Uromas Zeiten ohne Chemiekeule, dafür aber mit mehr Beobachtungsgabe und Geduld. Geduld etwa, beim Abwarten, ob sich ein Schädlingsproblem nicht ganz von allein löst.
Naturnah gärtnern heißt übrigens auch: Weniger Arbeit mit dem Garten, weil nicht immer alles ganz korrekt sein muss, wie etwa der englische Rasen.
Der Nutzgarten: Gemüse, Kräuter und Obst erfolgreich anbauen
Ein Garten kann einfach nur eine grüne Oase zur Entspannung sein oder aber er wird dazu genutzt, zumindest einen Teil… weiterlesen