„Kein Mensch ist so reich, dass er seinen Nachbarn nicht braucht“, lautet ein bulgarisches Sprichwort. Was in diesem Zitat so schön formuliert ist, wird in Bezug auf das deutsche Nachbarrecht als das Gebot von gegenseitigem Verständnisses und Rücksichtnahme bezeichnet. Bauherren sollten daher von Anfang an versuchen, mit ihren (künftigen) Nachbarn ein gutes Verhältnis aufzubauen. Dafür müssen sie sowohl ihre Rechte und Pflichten kennen als auch ein Gespür für die nachbarschaftlichen Regeln haben, die nicht in Gesetzestexten und Urteilen festgeschrieben sind.
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In diesem Artikel erfahren Sie,
- worum es im Nachbarrecht geht,
- wo sich die entsprechenden gesetzlichen Regelungen finden und
- worauf Bauherren besonders achten sollten.
Überblick: Worum es beim Nachbarrecht geht
Mit dem Nachbarn teilt man weit mehr als nur eine Grundstücksgrenze: Ein gutes oder schlechtes nachbarschaftliches Verhältnis kann nicht nur die Lebensqualität nachhaltig bestimmen, sondern im schlimmsten Fall auch zu Rechtsstreitigkeiten und damit zu finanziellen Nachteilen führen. Dies gilt keineswegs erst, wenn das neue Haus bezogen ist, sondern sobald Bauherren ein Grundstück erworben haben. Um den Weg zu einer guten Nachbarschaft, und damit auch zu einem möglichst reibungslosen Bauablauf, beizutragen, sollten Bauherren schon früh den Kontakt zu den Nachbarn suchen.
Lärm auf der Baustelle, ein mögliches Wegerecht, die Kosten für einen gemeinsamen Grenzzaun: Im Rahmen einer Baumaßnahme gibt es viel Konfliktpotenzial mit den neuen Nachbarn. Denn nicht alles, was den Bauherren rechtlich zusteht, wird dem Nachbarn auch gefallen. Umgekehrt muss der Nachbar nicht alles dulden oder zu allem die Zustimmung erteilen, was für die Bauherren vorteilhaft wäre. Die Chance, dass gemeinsame Lösungen gefunden werden, ist umso größer, je früher die Bauherren die Nachbarn über ihre Planungen informieren und signalisieren, dass sie an einer guten Nachbarschaft interessiert sind. Denn: Eine Nachbarschaft sollte nicht bereits während der Bauphase mit einem Rechtsstreit belastet werden.
Begriffsdefinition: Öffentliches und privates Nachbarrecht
Beim Nachbarrecht wird zwischen dem öffentlichen und dem privaten Nachbarrecht unterschieden. Beim privaten Nachbarrecht geht es um Rechte und Pflichten, die sich aus gesetzlichen Regelungen ergeben, zwischen den beiden Nachbarn. Es geht also um Rechte und Pflichten zwischen Privatpersonen. Beim öffentlichen Baurecht geht es um ein Drei-Personen-Verhältnis: nämlich die beiden Nachbarn sowie die Verwaltungsbehörde. Als Nachbar wird nach dem öffentlichen Nachbarrecht jeder bezeichnet, der durch die entsprechende Rechtsnorm als Nachbar geschützt ist. Es geht also nicht nur um den unmittelbar angrenzend wohnenden Nachbarn. Der Nachbar, der in seinen Rechten verletzt wurde, hat hier einen Anspruch gegenüber der Verwaltungsbehörde auf eine fehlerfreie Rechtsausübung.
Bundesrecht und Nachbarrecht: Unübersichtliche gesetzliche Regelungen
Das Nachbarrecht ist, gerade auch aufgrund der Trennung zwischen privatem und öffentlichem Nachbarrecht, sehr kompliziert. Noch komplizierter wird es dadurch, dass es neben den überregional geltenden Normen im Nachbarrecht in mehreren Bundesländern auch landesrechtliche Vorschriften zum Nachbarrecht gibt. Die wichtigsten Regelungen auf Bundesebene finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 903 bis 924 BGB. Auf Landesebene sind Regelungen insbesondere in den Landesbauordnungen oder Wassergesetzen zu finden. Bauherren können sich über die geltenden Landesgesetze und Verordnungen zum Nachbarrecht über das Justizministerium des jeweiligen Bundeslandes informieren. Hier können in der Regel entsprechende Broschüren oder Checklisten heruntergeladen werden oder es finden sich Auflistungen der entsprechenden Rechtsnormen.
Nachbarrecht: Diese Nachbarrechte sollten Bauherren kennen
Allein aus der Nähe zum Nachbarn resultieren zahlreiche potenzielle Streitpunkte – nicht nur während der Bauzeit, sondern auch in den Jahren und Jahrzehnten danach. Denn Geräusche, Gerüche aber auch optische Erscheinung von Haus und Garten beeinflussen den Nachbarn. Daher besteht immer auch die Gefahr, dass Nachbarn sich bei den entsprechenden Ordnungsbehörden über die Baustelle beschweren, wenn sie ihre Interessen und Rechte verletzt sehen. Andererseits bieten die Nachbarn Schutz. Das gilt auch schon während der Bauzeit, wenn die Bauherren nicht immerzu vor Ort sein können. Nachbarn hingegen bekommen mit, ob Bauunternehmen tatsächlich jeden Tag vor Ort sind. Auch haben sie eher eine Chance mitzubekommen, wenn nachts auf der Baustelle Materialien oder Geräte gestohlen werden.
Grundsätzlich sind Bauherren also gut beraten, auch losgelöst von rechtlichen Regelungen die Interessen und Befindlichkeiten der Nachbarn zu wahren, soweit dies geht. Aber natürlich ist es wichtig, die eigenen Pflichten und Rechte zu kennen – sozusagen als Minimalanforderung.
Lärm und Geräusche
Eine Baustelle ist immer mit Lärm verbunden. Gerade in reinen Wohnvierteln wird Baustellenlärm schnell durch die Nachbarn als Belastung wahrgenommen. Grundsätzlich sind Nachbarn verpflichtet, zumutbare Lärmpegel hinzunehmen, wenn dies nicht vermeidbar ist. Zudem geht es bei dieser Frage auch immer darum, ob Ruhezeiten eingehalten werden. Bei unzumutbaren Lärmbelastungen haben Nachbarn unter Umständen einen Unterlassungsanspruch und ein Recht auf Schadensersatz.
Bedenken sollten Bauherren den Aspekt der Lärmbelästigung auch bei der Gestaltung der Gartenanlage. Wärmepumpen, Pumpen von großen Teichanlagen und ähnliche Geräte sollten so ausgewählt und platziert werden, dass sie die Nachbarn nicht über Gebühr mit Lärm belästigen.
Erschütterungen
Im Rahmen von Bauarbeiten kann es auch zu nicht ganz unerheblichen Erschütterungen kommen. Diese sind dann auch auf dem Nachbargrundstück wahrnehmbar. Die Erschütterungen müssen in Intensität und zeitlichem Ausmaß in Grenzen gehalten werden. Wo diese Grenze liegt, hängt vom Einzelfall ab. Sicher überschritten ist die Grenze dort, wo die Erschütterungen zu Schäden am Nachbarhaus führen.
Beeinträchtigung mit Wasser
Hierbei geht es vor allem um die Entwässerung: Abwasser vom Dach darf nicht gezielt so gelenkt werden, dass es auf das Nachbargrundstück abfließt. Liegt das Nachbargrundstück tiefer als das eigene und fließt Wasser automatisch auf das Nachbargrundstück ab, so ergeben sich hieraus in der Regel keine Ansprüche des Nachbarn. Wird jedoch das eigene Grundstück so bearbeitet, dass ein Gefälle zum Nachbarn hin entsteht, um Niederschlag oder bei Grundstücken an Gewässern auch Hochwasser gezielt zum Nachbarn abzuleiten, so erwachsen daraus in der Regel Ansprüche auf Rückbau und Entschädigung.
Beeinträchtigung durch Licht und Beleuchtung
Lichtkonzepte für den Außenbereich, sowohl unmittelbar am Haus als auch auf Zuwegen und im Garten, liegen im Trend. Allerdings sollten Bauherren bedenken, dass sie bei der Konzeption die Rechte der Nachbarn berücksichtigen. Dies gilt insbesondere, wenn Halogenscheinwerfer im Außenbereich zum Einsatz kommen, etwa um für Sicherheit in der Nacht zu sorgen. Denn diese sind oftmals so lichtstark, dass deren Lichtimmission einen Eingriff in die Rechte der Nachbarn darstellt. Schließlich ist dann in der Regel ein Schlafen ohne geschlossene Rollläden nicht mehr möglich.
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Grundstücksnutzung
Die Gestaltung des Neubaus muss so gewählt werden, dass es nicht gegen das ästhetische Empfinden des Nachbarn verstößt. Da in Deutschland eine Baugenehmigung für den Bau eines Hauses erforderlich ist, gibt es hier eine erste Kontrollinstanz. Allerdings sollte der Bauherr beispielsweise auch bei der Fassadengestaltung und bei der Gestaltung des eigenen Gartens auf die Belange des Nachbarn achten. Die Grenze des ästhetischen Empfindens richtet sich nicht nach dem subjektiven Empfinden des jeweiligen Nachbarn, sondern danach, womit in dieser Situation zu rechnen ist.
Bäume und Pflanzen
Je kleiner die Grundstücke sind, desto schwerer ist es, die Bepflanzung so zu gestalten, dass diese das Nachbargrundstück nicht tangiert. Daher sollten Pflanzen so ausgewählt werden, dass die Regeln des Nachbarrechts gewahrt werden. Dies bezieht sich zum Beispiel darauf, dass die Wurzeln von Bäumen nicht das Nachbargrundstück tangieren dürfen. Auch sollten Bäume so ausgewählt werden, dass diese – auch in späteren Jahren – nicht nennenswert in das Nachbargrundstück hineinragen. Überragende Äste müssen nämlich beseitigt werden.
Betreten des Nachbargrundstücks
Hier geht es um einen sehr weiten Bereich: Einerseits geht es um die Notwendigkeit, während der Bauarbeiten ein Gerüst auf dem Nachbargrundstück aufzustellen. Doch auch dauerhafteres Betreten/Nutzen des Nachbargrundstücks fallen darunter. Hierzu zählt insbesondere das Notwegerecht. Das liegt dann vor, wen ein Grundstück keinen direkten Zugang zu einer Straße hat und der einzige Zuweg über das Nachbargrundstück führt. Für dieses Nutzungsrecht muss eine Entschädigung den Nachbarn gezahlt werden.
Fazit
Grundsätzlich fallen diese Regelungen in den Aufgabenbereich von Bauplaner, Bauleitung und Handwerksunternehmen. Sie kennen die entsprechenden gesetzlichen Regelungen und müssen diese einhalten. Allerdings müssen die Bauherren dauerhaft mit den Nachbarn auskommen, deren Rechte während der Bauphase unter Umständen nicht oder nicht ausreichend geachtet wurden. Daher sollten Bauherren grundsätzlich einen Überblick behalten, ob die Nachbarrechte gewahrt werden.
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