Hürden und Barrieren in Bestands- und Neubauten wahrnehmen
Die rechtliche Regelung, was bei Wohnräumen als Barriere gilt und was im Umkehrschluss als barrierefrei zu werten ist, ist in der DIN-Norm 18040-2 für private Wohnräume geregelt. Hier gibt es viele, zum Teil gerade für Laien recht abstrakt wirkende Regelungen, die Türbreiten und andere Aspekte der Wohnraumgestaltung betreffen. Bauherren, die eine barrierefreie oder zumindest barrierereduzierte Immobilie bauen oder sanieren möchten, fragen sich oft: Was bedeuten diese Regelungen konkret?
In diesem Artikel erfahren Sie,
- wie Sie ein Gefühl für Barrieren im Wohnraum erhalten können,
- welche typischen Barrieren in vielen Bestandsimmobilien existieren und
- welche Barrieren noch heute in vielen Neubauten existieren.
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Barrieren erkennen: Wie Sie ein Gefühl für Barrieren im Wohnraum entwickeln
Für die meisten Menschen mittleren Alters, die keine Behinderung haben oder an einer Krankheit leiden, gibt es kaum bauliche Gegebenheiten in Wohnräumen, die sie als Barriere wahrnehmen. Denn wer jung und gesund ist, für den sind Treppen, schmale Flure und kleine Türen keine Herausforderung. Vielfach werden solche baulichen Gegebenheiten sogar als charmant wahrgenommen. Allerdings geht es bei der rechtlichen Definition von Barrierefreiheit eben gerade nicht um die subjektive Wahrnehmung junger, gesunder Erwachsener. Die Barrierefreiheit einer Immobilie ist dann gegeben, wenn auch Menschen, bei denen es sich nicht um junge, gesunde Erwachsene handelt, sich in dieser sicher und selbstständig bewegen können.
Wer eine Immobilie kaufen oder bauen möchte, den Umbau einer Immobilie plant und diese barrierefrei oder barrierereduziert gestalten möchte, sollte daher folgendermaßen vorgehen:
Versetzen Sie sich in die Situation eines Menschen, der Barrieren anders wahrnimmt, als ein junger, gesunder Erwachsener. Denkbar sind dabei folgende Varianten:
- Erwachsene, die an einer Behinderung leiten: Hier gibt es unterschiedliche Formen von Behinderungen. Es gibt Menschen, die gehörlos sind und Menschen, die blind oder seheingeschränkt sind. Außerdem gibt es Behinderungen, die zur Folge haben, dass Menschen einen Rollstuhl benötigen.
- Senioren: Das Älterwerden geht mit zahlreichen körperlichen Einschränkungen einher. Nicht jeder Mensch altert gleich schnell oder sieht sich mit den gleichen Einschränkungen konfrontiert. Aber grundsätzlich lassen körperliche Fitness sowie das Seh- und Hörvermögen nach. Auch die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt oftmals ab.
- Babys und Kleinkinder: Wir alle waren, einmal klein. Aber nur selten erinnern wir uns bewusst daran, dass diese Zeit auch Einschränkungen bedeuteten. Denn Babys und Kleinkinder können noch gar nicht oder nur schlecht laufen, sind kleiner als durchschnittliche Erwachsene. Die Fähigkeit, Risiken wahrzunehmen und einzuschätzen, ist ebenfalls deutlich geringer ausgeprägt, als bei den meisten Erwachsenen.
Gut beraten zum Thema Barrierefreiheit beim Bauen
Ob es um den Bau, den Kauf oder die Miete einer barrierefreien Immobilie oder aber um den barrierefreien Umbau einer… weiterlesen
Mit anderen Worten: Wer seine Wohnung barrierefrei oder barrierereduziert gestalten möchte, ohne dass er oder sie aktuell auf barrierefreien Wohnraum angewiesen ist, muss einen Perspektivenwechsel vollziehen. Denn Menschen, die aktuell einen barrierefreien Wohnraum zwingend benötigen, haben kein Problem, Barrieren im Wohnraum zu erkennen.
Barrieren in Bestandsimmobilien. Auch eine Frage des Baujahrs
Wie viele Barrieren in einer Bestandsimmobilie bestehen, hängt von vielen Faktoren ab. Hierzu zählen die folgenden:
- Baujahr der Immobilie
- Größe und Ausstattungsstatus der Immobilie
- Ein- oder Mehrfamilienhaus
- Region, in der die Immobilie sich befindet
Auch hier ist es sinnvoll, sich zu verdeutlichen, von wem und für wen die konkrete Immobilie errichtet wurde. Je nach Baujahr gab es andere Vorstellungen davon, was Wohnkomfort bedeutet: In ländlichen Regionen wurden Bauernhäuser fast immer mit einer großen Wohnküche ausgestattet. Zusätzlich gibt es in solchen Bauernhäusern größtenteils ein Wohnzimmer und manchmal auch noch ein Esszimmer. In Städten hingegen haben Einfamilienhäuser älteren Baujahrs meist eher eine kleine Küche und ein davon abgetrenntes Esszimmer sowie einen Wohnraum. Fast immer findet sich im Erdgeschoss lediglich ein kleines Gäste-WC. Das eigentliche Badezimmer findet sich in älteren Einfamilienhäusern traditionell im Obergeschoss. Dachböden sind in solchen Häusern zudem oftmals reine Lagerräume und nur über schmale Treppen oder sogar über Ausziehleitern zu erreichen.
Im vergangenen Jahrzehnt hat sich der Trend des offenen Wohn-Essbereichs hierzulande immer mehr etabliert. Dies gilt seit einigen Jahr als modernes Wohnkonzept. Auch ein weiterer Wohntrend der vergangenen Jahre hat zu einer Barrierereduzierung in privaten Wohnungen geführt: der Wunsch nach großen Badezimmern und ebenerdigen Duschen als Ergänzung oder Alternative zur Badewanne. Wenngleich diese mehrheitlich nicht mit Blick auf Barrierefreiheit oder die Reduzierung von Barrieren erfolgt ist, so finden sich in solchen Immobilien doch oftmals deutlich weniger Barrieren als beispielsweise in Immobilien aus den 1980er-Jahren.
Typische Barrieren in Bestandsimmobilien: Darauf sollten Sie achten
Im Nachfolgenden finden Sie typische Barrieren, die in Bestandsimmobilien zu finden sind. Wie bereits dargestellt, finden sich nicht alle Barrieren in allen Immobilien. Auch ist die folgende Liste an typischen Barrieren in Bestandsimmobilien nicht abschließend. Aber sie gibt ein Gefühl dafür, worauf Käufer einer Bestandsimmobilie achten sollten. Denn: Die barrierefreie Sanierung einer Bestandsimmobilie ist umso aufwendiger und damit kostspieliger, je mehr Barrieren vorhanden sind.
- Treppen vor dem Haus: In manchen Bauepochen galt es sogar als schick, wenn Treppen zum Eingang führen. Allerdings sind diese für Menschen mit Behinderung, Einschränkungen aber auch mit kleinen Kindern recht beschwerlich oder gar nicht zu überwinden.
- Schmale Flure: Hier fehlt der Bewegungsraum, der einen Wohnraum barrierefrei macht.
- Kleine Gäste-WCs: Diese sind meist auch zu kompakt, als dass Menschen mit Behinderung oder Einschränkungen diese sicher und komfortabel nutzen können. Auch für Familien sind diese in der Phase, in der die Kinder beim Toilettengang Unterstützung benötigen, nicht geeignet.
- Kleine Arbeits- oder Abstellräume: Schuhkammern und ähnliche Nebenräume sind sehr praktisch. Allerdings sind diese oftmals zu kompakt, dass sie nicht barrierefrei sind.
- Wannenbäder: Da Badewannen lange Zeit als besonderer Komfort eingestuft wurden, finden sich in vielen älteren Immobilien nur Badewannen und keine Duschen, noch seltener bodengleichen Duschen.
- Kleine Schlafzimmer: In Einfamilienhäusern mit mehreren Kinderzimmern finden sich vielfach sehr kleine Schlafzimmer. Diese bieten keine ausreichenden Bewegungsflächen.
- Arbeitsküchen: Eine Zeit lang würden Küchen als reine Arbeitsräume konzipiert, die wenig Bewegungsflächen bieten.
- Steile, schmale Treppen: Um Platz zu sparen, wurden oftmals Treppen gebaut, die soeben den baurechtlichen Vorgaben entsprachen. Diese sind jedoch nicht barrierefrei, da sie für Menschen mit Einschränkungen nicht sicher nutzbar sind.
- Balkon- und Terrassentüren: In den meisten älteren Einfamilienhäusern gibt es Schwellen bei Balkon- und Terrassentüren. Dies stellt eine Unfallgefahr dar und ist nicht barrierefrei.
- Stufen im Innenbereich: Gerade auch in größeren, luxuriöseren Immobilien wurden eine Zeit lang großzügige Wohnbereiche gebaut, die mehrere Ebenen haben. Diese sind dann durch Stufen miteinander verbunden.
- Licht- und Sichtschutze: Alte Rollläden ohne Motor oder gar Fensterläden, die manuell bedient werden, stellen massive Barrieren für Menschen mit Einschränkungen dar.
- Beleuchtung: Aufgrund von Behinderungen oder dem nachlassenden Sehvermögen im Alter kommt es bei zu geringer Beleuchtung leicht zu Unfällen. Dies betrifft alle Räume, besonders häufig aber gibt es in Bestandsimmobilien kein ausreichendes Beleuchtungskonzept für Treppenbereich oder Kellerräume.
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Barrieren umgehen: Darauf ist bei Neubauten zu achten
Auch in Neubauten, die beispielsweise von Bauträgern erworben werden, existieren noch viele Barrieren. Des bedeutet, dass diese Immobilien noch immer nicht barrierefrei sind und oftmals auch keine zufriedenstellende Barrierereduzierung vorhanden ist. Die Gründe, warum bei Neubauten noch immer viel zu häufig verzichtet wird, sind vielschichtig:
- Fehlendes Bewusstsein dafür, was Barrieren sind
- Fehlendes Bewusstsein dafür, dass Barrierefreiheit für alle Menschen ein Plus an Sicherheit und Komfort bedeutet.
- Fehlender politischer Wille, für ausreichend barrierefreien Wohnraum für eine immer älter werdende Bevölkerung (und damit immer mehr Menschen, die barrierefreien Wohnraum benötigen) zu sorgen.
- Gestaltungsaspekte: Wohn- und Bautrends führen dazu, dass barrierefreies Bauen nicht angewendet wird
- Kostenaspekte: Barrierefreies Bauen ist, insbesondere wenn es nicht gut durchdacht ist, kostspieliger als herkömmliches Bauen. Allerdings führt ein späterer barrierefreier Umbau zu deutlich höheren Kosten und ist manchmal faktisch gar nicht möglich. Dann ist ein Umzug die einzige Möglichkeit.
- Designaspekte: Da barrierefreie Wohnungen, vor allem Sanitäreinrichtungen, oftmals wenig ansprechend gestaltet sind, hält sich das Vorurteil, dass Barrierefreiheit auch Stilfreiheit bedeutet. Diese ist aber nicht der Fall.
- Zu wenig spezialisierte gute Fachunternehmen: Natürlich gibt es inzwischen viele Unternehmen, die barrierefrei bauen können. Aber ein großer Anteil dieser Unternehmen setzt dabei die Regeln des barrierefreien Bauens um, ohne diese mit gestalterischen Aspekten zu verknüpfen. Barrierefreier Wohnraum kann – bis auf ganz wenige Aspekte – optisch genauso individuell gestaltet werden wie herkömmlicher Wohnraum.
- Verwechselung von Begrifflichkeiten: Inzwischen haben Bauträger und andere Vertreter der Bauwirtschaft erkannt, dass das Thema Barrierefreiheit ein Verkaufsargument ist. Daher wird das Thema als Marketinginstrument eingesetzt. Dabei werden dann aber auch Begriffe wie „seniorenfreundlich“ oder „barrierearm“ verwendet, die keine rechtliche Relevanz besitzen. Immobilienkäufer denken dann, dass sie eine barrierefreie Immobilie erwerben, was aber nicht der Realität entspricht.
Fazit
Für Menschen, die aktuell nicht auf barrierefreien Wohnraum angewiesen sind, ist es oftmals nicht einfach, Barrieren in Immobilien zu erkennen. Da die rechtlichen Regelungen für Laien oftmals schwer zu verstehen sind, ist es sinnvoll, den Blick für Barrieren in Wohngebäude zu schärfen. Denn barrierefreies Wohnen wird vor allem dadurch teuer, wenn die Umbauten und Sanierungen nachträglich erfolgen müssen. Aufgrund des steigenden Alters werden jedoch die meisten Menschen früher oder später von der Barrierefreiheit ihrer Immobilie profitieren: Oftmals bereits dann, wenn der Nachwuchs kommt und sonst spätestens im Alter.
Barrierefrei umbauen: Türen, Fenster, Durchgänge
Beim Thema barrierefreies Wohnen denken die meisten Menschen an barrierefreie Badezimmer, die barrierefreie Gestaltung der Küche und vielleicht noch an… weiterlesen