Was bedeuten die Begriffe und können diese synonym verwendet werden?
Barrierefrei, rollstuhlgerecht – beide Begriffe werden manchmal synonym verwendet. Oftmals setzen sich Menschen erst dann mit diesen Themen auseinander, wenn sie einen Unfall erleiden, schwer erkranken oder im Alter die Gesundheit nachlässt. Bevor dann die Suche nach einer geeigneten Immobilie beginnt oder das eigene Zuhause umgebaut werden soll, müssen zunächst die Begrifflichkeiten geklärt werden. Denn wer nicht weiß, was sich hinter den Begriffen „barrierefrei“ und „rollstuhlgerecht“ verbirgt, der kann nicht auf Augenhöhe mit Immobilienmaklern oder Handwerkern verhandeln.
In diesem Artikel erhalten Sie Antworten auf die Fragen:
- Was bedeuten die Begriffe Barrierefreiheit und rollstuhlgerecht?
- Wie sieht es mit Begriffen wie seniorengerechte, barrierearme oder behindertengerechte Wohnung aus?
- Welche gesetzlichen Grundlagen gibt es zum Thema barrierefrei und rollstuhlgerecht?
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Begriffsbestimmung: Barrierefrei, rollstuhlgerecht, seniorengerecht und Co.
Seit die Werbung die Senioren als Zielgruppe identifiziert hat, werden diese in Wohnungsanzeigen gerne direkt angesprochen. Hintergrund dieser gezielten Ansprache der Senioren ist jedoch nicht etwa der Wunsch, den „Alten und Gebrechlichen“ das Leben so angenehm wie möglich zu gestalten, sondern hier Geld zu verdienen. Denn: Senioren machen einen enormen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus, Tendenz steigen. Die Zielgruppe, und damit der Markt, wird also in den kommenden Jahren noch wachsen. Daher finden sich in Immobilienanzeigen, sowohl für Kauf- als auch für Mietimmobilien, immer öfter Attribute wie seniorengerecht, barrierearm, rollstuhlgerecht oder barrierefrei.
Aber was genau bedeuten diese Begriffe eigentlich und welche Verbindlichkeit haben sie:
- Seniorengerecht oder altengerecht: Hierbei kann es sich grundsätzlich um eine ganz normale Wohnung handeln. Denn welche Bedürfnisse Senioren beim Wohnen haben, ist nirgendwo gesetzlich festgeschrieben. Auch wenn diese Formulierung nahelegt, dass man bis ins hohe Alter und auch mit Gebrechen in dieser Wohnung leben kann, so hat der Begriff keine rechtliche Verbindlichkeit. Diese Attribute sind also keine vor Gericht einklagbaren Ausstattungsmerkmale einer Immobilie. Die Immobilie kann barrierefrei oder sogar rollstuhlgerecht sein, muss es aber nicht.
- Schwellenarm, barrierearm oder barrierereduziert: Diese Begriffe sind bereits etwas konkreter als seniorengerecht oder altengerecht. Meist sind solche Immobilie mit bodengleichen Duschen, einer Rampe vor dem Hauseingang oder einem Aufzug ausgestattet. Allerdings ist das alles kein Muss. Auch diese Begriffe sind so vage und undefiniert, dass sich kein rechtlicher Anspruch daraus ableiten lässt.
- Behindertengerecht: Eine behindertengerechte Wohnung ist auf die Bedürfnisse einer konkreten Person ausgerichtet. Das bedeutet, es handelt sich um eine Immobilie, die entsprechend den Bedürfnissen des Vormieters oder Vorbesitzers erbaut oder umgebaut wurde. Es ist aber nicht ersichtlich, ob es sich bei der Behinderung um eine Sehbehinderung, eine leichte oder eine schwere Behinderung handelt. Es ist also möglich, dass die Ausstattungsmerkmale der Wohnung für eine Person im Rollstuhl nur bedingt Vorteile bringen.
- Barrierefrei oder rollstuhlgerecht: Einzig diese Begriffe sind rechtlich verbindlich und daher Eigenschaften einer Immobilie, die auch gerichtlich eingeklagt werden können. Allerdings können die Begriffe barrierefrei und rollstuhlgerecht nicht synonym verwendet werden. Denn eine rollstuhlgerechte Wohnung ist zwar immer barrierefrei, aber eben nicht umgekehrt.
Rollstuhlgerecht oder barrierefrei?
Wie zuvor erwähnt, können die Begriffe rollstuhlgerecht und barrierefrei ebenfalls nicht synonym verwendet werden. Denn rollstuhlgerecht stellt gegenüber der Barrierefreiheit eine Spezifizierung dar. Für den Begriff „Barrierefreiheit“ findet sich im Gesetz eine Definition. In § 4 BGG (Behindertengleichstellungsgesetz) steht:
Barrierefrei sind bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.
Bei dieser gesetzlichen Definition handelt es sich jedoch nicht um eine differenzierte Beschreibung, wann eine Wohnung barrierefrei ist oder nicht. Daher lässt sich aus dem BGG nicht ableiten, welche baulichen Maßnahmen eine barrierefreie Wohnung haben muss. Allerdings gibt es eine DIN-Vorschrift, die regelt, wann ein Gebäude barrierefrei ist und wann nicht: die DIN 18040. In dieser DIN-Norm wird auch zwischen öffentlichen Gebäuden und Wohngebäuden unterschieden. Die wichtigste Unterscheidung ist:
In öffentlichen Gebäuden bedeutet Barrierefreiheit immer, dass das Gebäude auch rollstuhlgerecht ist. In Wohngebäuden hingegen sind die Anforderungen an eine barrierefreie Gestaltung weniger scharf: Hier bedeutet barrierefrei nicht zwangsläufig rollstuhlgerecht.
Die DIN 18040 ist dementsprechend unterteilt:
- DIN 18040-1 bezieht sich auf öffentliche Gebäude
- DIN 18040-2 bezieht sich auf Wohngebäude
- DIN 18040-3 bezieht sich auf den öffentlichen Verkehrs- und Freiraum
In der DIN 18040-2 wird für Wohngebäude zwischen zwei unterschiedlichen Standards unterschieden: barrierefrei nutzbaren Wohnräumen sowie barrierefrei und uneingeschränkt mit dem Rollstuhl nutzbaren Wohnungen.
Eine (private) rollstuhlgerechte Wohnung ist immer auch barrierefrei. Aber eine barrierefreie (private) Wohnung ist nicht zwangsläufig auch rollstuhlgerecht.
Gut beraten zum Thema Barrierefreiheit beim Bauen
Ob es um den Bau, den Kauf oder die Miete einer barrierefreien Immobilie oder aber um den barrierefreien Umbau einer… weiterlesen
Barrierefrei Wohnung: wesentliche Kriterien
Eine Wohnung ist immer dann barrierefrei, wenn sie insbesondere die folgenden Kriterien (keine abschließende Aufzählung der Anforderungskriterien) erfüllt:
- Bewegungsflächen: Diese müssen, auch in Fluren, mindestens 1,20 × 1,2 m betragen
- Bodenbeläge: Diese müssen fest verlegt sein, rutschhemmend und kontrastierend gestaltet. Sie dürfen also nicht spiegelnd oder blendend sein.
- Türen und Durchgänge: Die Durchgänge müssen mindestens 80 cm breit und 2,05 m hoch sein. Die Türdrücker müssen sich auf einer Höhe von 85 cm befinden. Zudem müssen die Bewegungsflächen vor und hinter der Tür eingehalten sein.
- Fenster und Türen: Diese müssen leicht zu öffnen und zu schließen sein. Außerdem müssen sich Fenster in Aufenthaltsräumen in einer Höhe ab 60 cm befinden. Bei Glastüren ist zudem eine Sicherheitsmarkierung auf Augenhöhe anzubringen.
- Bedienelemente: Darunter sind Griffe, Schalter etc. zu verstehen. Diese müssen so installiert sein, dass ein Abstand von 50 cm zu Raumecken und Begrenzungen eingehalten wird.
- Badezimmer: Das WC muss 70 cm tief und 46 bis 48 cm hoch sein. Der Waschtisch muss unterfahrbar und mit gut greifbarer Armatur (mit Temperaturbegrenzung) ausgestattet sein.
- Aufenthaltsräume (Wohn- und Schlafräume): Diese müssen insbesondere so ausgestaltet sein, dass Betten so platziert werden können, dass auf der eine Seite mindestens 1,20 m und auf der anderen 0,90 m Platz ist.
- Küche: Arbeitsflächen müssen unterfahrbar und Elemente wie Herd, Kühl-Gefrierkombination und Spülmaschine auch im Sitzen erreichbar sein. Auch für Oberschränke gelten spezielle Regeln.
- Balkone: Diese müssen schwellenlos erreichbar sein. Außerdem müssen auch hier die Bewegungsflächen für Türen eingehalten werden.
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Rollstuhlgerechte Wohnungen: Das sind die Unterschiede zur barrierefreien Wohnung
Wie bereits erwähnt, stellt die Bezeichnung „rollstuhlgerecht“ eine Spezifizierung dar. Die Anforderungen gehen also über die einer barrierefreien Wohnung hinaus. Diese Kriterien müssen zusätzlich zu denen einer barrierefreien Wohnung erfüllt sein. Zu diesen spezifizierten Anforderungskriterien (keine abschließende Aufzählung der Anforderungskriterien) zählen insbesondere:
- Bedienelemente: Hier ist der Kraftaufwand, der für die Bedienung erforderlich ist, fest definiert.
- Bewegungsflächen: Diese gelten für Flure, Räume sowie auf Balkonen und Terrassen und müssen mindestens 1,50 × 1,50 m betragen.
- Türen: Diese müssen mindestens 90 cm breit und 2,05 m hoch sein. Ein Türspion muss in 1,20 m Höhe platziert sein.
- Badezimmer: Dies betrifft sowohl die Größe des Badezimmers (Bewegungsflächen) als auch die einzelnen Installationen: Der Waschplatz muss unterfahrbar sein und die unterfahrbare Fläche muss mindestens 55 cm tief und 90 cm breit sein. Im Duschbereich müssen ein Dusch-Klappsitz sowie Stützgriffe (nachrüstbar) sein. Zudem muss bei der Badewanne die Möglichkeit bestehen, dass ein Lift eingesetzt wird.
Vertragssicherheit beim Mieten, Kaufen, Bauen, Renovieren
Wie die bisherige Darstellung gezeigt hat, sind lediglich die Begrifflichkeiten „barrierefrei“ und „rollstuhlgerecht“ rechtlich geschützt. Alle anderen Begrifflichkeiten sind werbliche Gestaltungsmittel, die eine bestimmte Zielgruppe ansprechen sollen. Allerdings lassen sich aus diesen Begriffen keine Rechtsansprüche ableiten. Das bedeutet dann in der Praxis, dass die Wohnung eben im Zweifelsfall nicht wie geplant nutzbar ist. Auch die Beantragung von Fördermitteln ist dann meist nicht möglich.
Doch auch, wenn in einem Vertrag die Begriffe „barrierefrei“ oder „rollstuhlgerecht“ enthalten sind, kann es aus Unwissenheit oder Kalkül zu Problemen kommen. Daher sollte in Verträgen die Einhaltung der DIN 18040-2 (ggf. mit der Spezifizierung rollstuhlgerecht) aufgenommen werden. Das gilt insbesondere für folgende Verträge:
- Mietverträge
- Kaufverträge
- Architektenverträge (bei Neubau)
- Werkvertrag (bei Sanierung)
Fazit
Die Begriffe „barrierefrei“ und „rollstuhlgerecht“ sind die einzigen rechtlich geschützten Begriffe, wenn es um die Gestaltung von Wohnungen geht. Alle anderen Begriffe wie seniorengerecht oder barrierearm sind undifferenziert und können im Zweifelsfall nicht eingeklagt werden. Für öffentliche Gebäude gilt, dass Barrierefreiheit auch immer die Nutzbarkeit für Rollstuhlfahrer beinhaltet. Bei privaten Wohnungen ist dies nicht der Fall: Hier gilt, dass alle rollstuhlgerechten Wohnungen auch barrierefrei sein müssen – aber nicht umgekehrt.
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